Kleine Geschenke aus der Mittelalterküche

Kleine Geschenke

aus der Mittelalterküche

Ylva Schwinghammer (2025)

Ob Weihnachten, Geburtstag oder Gastgeschenk: Diese vier Mitbringsel nach originalen Rezepten des Spätmittelalters sind zu jedem Anlass etwas Besonderes – nicht nur für Mittelalterfans.

Triesenet: Gewürzzucker

Weichsel-Lebkuchen-Latwerge

Nektar: Honigtrank mit Gewürzen

Senf mit Honig und Zimtblüten

Triesenet: Würzzucker (15. Jahrhundert)

Unter der Bezeichnung Triesenet (auch: Trysenet, Tresanei, Drysenet…) verstand man im Mittelalter süße Würzpulver, die sowohl als Leckerei, Kochzutat als auch als Medikament Verwendung fanden. In der deutschsprachigen Kochrezeptüberlieferung werden sie häufig zum Bestreuen von Musen und Latwergen oder als Zutat für süß-säuerliche Bratensaucen mit Wein oder Essig erwähnt. Man kann den würzigen Zucker auch zum Verfeinern von Süßspeisen und Plätzchen oder auch zum Aromatisieren von Heißgetränken nutzen. In ein hübsches Glas oder eine Dose gefüllt eignet er sich wunderbar zum Verschenken. Das Originalrezept ist einer Heidelberger Handschrift aus dem 15. Jahrhundert entnommen:

Wer ein gut Triesenet wil machen der Nemm zwey pfunt Zuckersz vnd stoß das Vnd Rure das durch ein syv vnd nym darnach vir lot yngewersz Vier lot tzymyn drew lott muskatblumenn Vnd muschat anderhalbe lot Neglein ein halb lot galgan Vnd stosz yedes versunderr vnd Ryd denn yngwer vnd die Negelein Vnd denn galgan durch ein anderr durch ein siblein Die Zymyn vnd muschast blumenn darff mann nicht Reydenn Wiltu es roscher haben das mach noch demm mund wie es dir wol geuall Sequitur magis

(Heidelberg, Universitätsbibl., Cod. Pal. germ. 551, fol. 186r)

Wer einen guten Trisenet machen will, der nehme zwei Pfund Zucker, zerstoße den, und rühre ihn durch ein Sieb und danach nimm vier Lot Ingwer, vier Lot Zimt, drei Lot Muskatblüten und Muskat, anderthalb Lot Nelken, ein halbes Lot Galgant und zerstoße alles einzeln und siebe den Ingwer und die Nelken und den Galgant gemeinsam durch ein Sieblein. Den Zimt und die Muskatblüten darf man nicht durchsieben. Willst du es schärfer haben, so mache es nach dem Geschmack, wie es dir gefällt.

Rezept

für 3-4 kleine oder ein größeres Glas

  • 300g Zucker
  • 1,5g Ingwer
  • 4g Zimt
  • 0,25g Muskatblüten
  • 0,1g Muskatnuss
  • 0,5g Nelken
  • 0,1g Galgant
  • –>Alle Zutaten gut miteinander mischen!

Weichsel-Lebkuchen-Latwerge

Diese mit Wein, Lebkuchen und Gewürzen eingedickte Fruchtmasse kann sowohl als kleine Nascherei gegessen, als auch unter Zugabe von Flüssigkeit (Wein oder Wasser) als Saucenbasis verwendet werden. Was es mit „Latwergen“ auf sich hat, erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag. Gut getrocknet und eventuell in Zucker gewälzt, kann die Latwerge in Papier oder Folie gewickelt oder auch in einer Dose oder einem Glas verschenkt werden. (Für die Aufbewahrung in einem geschlossenen Gefäß muss sie allerdings ganz getrocknet sein!)

Man kann die Latwerge mit frischen oder eingelegten Weichseln zubereiten. Sollte man keine Lebkuchen bei der Hand haben, kann man diese durch 1 gestrichenen TL Lebkuchengewürz und 2 EL Semmelbrösel ersetzen. Beim Einkochen braucht man etwas Geduld, da möglichst viel der Flüssigkeit verdampfen soll. Insbesondere am Schluss muss man ständig rühren, damit die Latwerge nicht anbrennt. Die so entstehende dickflüssige Masse streicht am auf Backpapier. Am besten lässt man die Latwerge dann noch einige Tage an der Luft nachtrocknen. Wer es eilig hat, kann sie aber auch bei max. 50 Grad im Backrohr trocknen, das dauert ca. 2 Stunden.

Das hier verwendete Rezept ist in einer Kölner Handschrift aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts überliefert.

Ein wiesel Salsze Ader latwerge Stois sie In eym morser mit kernn vnd all Ryb lebkuchen dar vnder Tribs durch ein thuch mit guetem win Schud isz In eynen vergleisten haffen Stois neglyn vnd aller ley starcker wuertz vnd enwenig saltz thu dar Inne Erwelle isz bie dem fuer Thue isz dan vsz In eyn fucht becken vnd lois wol gestehen vnd mach kuchlin dar vsz ader lattwergen

Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 7004, 27, fol. 26v

Eine Weichselsauce oder -latwerge: Stoße sie in einem Mörser mitsamt Kernen und allem. Reib Lebkuchen darunter, treib es durch ein Tuch mit gutem Wein. Schütte es in einen glasierten Topf. Stoße Nelken und allerlei starke Gewürze und ein wenig Salz gib hinein. Koche es bei dem Feuer und schütte es dann in eine feuchte Schüssel und lasse es stehen und mache dann Küchlein daraus oder Latwerge.

Rezept

für ein Backblech

  • 1 kg Weichseln ohne Stein, (frisch oder aus dem Glas)
  • 50g Lebkuchen
  • 250ml Rotwein
  • 250g Honig
  • 1 gestrichener TL Nelkenpulver
  • je ½ TL Zimt und Pfeffer
  • etwas Salz

– Entsteinte Weichseln, Lebkuchen und Wein in einen weiten Topf geben. Einweichen lassen, bis die Lebkuchen weich genug sind, sodass sie sich zerdrücken lassen (ca. 1-2 Stunden).

– 10-15 Minuten bei mittlerer Hitze kochen und anschließend pürieren.

– Bei geringer Hitze unter ständigem Rühren weiterkochen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Erst am Schluss die Gewürze beigeben. Latwerge sollte man solange köcheln lassen, bis die gesamte Flüssigkeit verdampft ist und eine zähflüssige Masse entsteht. Diese auf ein Backblech gießen, auskühlen lassen und wie Fruchtleder in Stücke schneiden.

Nektar: Honigtrank mit Gewürzen

Dieser Honig-Gewürztrank mit Wein passt besonders gut in die kalte Jahreszeit und kann – mit etwas Apfelsaft oder Weißwein verdünnt – wunderbar als Punsch getrunken werden. Aber auch pur im ‚Stamperl‘ oder als Zutat für sommerliche Cocktails auf Prosecco-Basis macht dieser mittelalterliche Trank noch heute etwas her.

Man kann entweder fertigen in Flaschen abgefüllten Nektar verschenken oder auch nur die Gewürzbeutel. Beides ist sehr lange haltbar!

Das Rezept stammt aus der Münchner Handschrift BSB Cgm. 415 und kommt ursprünglich wohl aus dem französischen Raum.

Wie mangerlày man geclaretten wein daz ist ain edel wol gesmakchter weyn macht. Darnach so ist der wein der do claret haizt. densselben wein haizzen eteichew pigmentum etleich haizzen denselben wein nectar Vnd den gueten claret den macht man also: Nym xij pfunt hònigs vnd tu dỳ in ain v̀rn weins darnach so tu puluer oder stupp darin der nachgeschriben dinger. Nym guter cymmerintten iiij vncz Ingber iij vncz galgan vnd nêgel vnd Cardamonium vnd parichern yeders ain halb vncz muscatplùmen vnd muscaten yeders ij dragmas vnd Spicenardi daz ist wolgesmakch. Speig j dragma [Bl. 49r] Swarczes pfeffers vnd langes pfeffers yegleichs ain vncz. daz schol man allez mit enander stozzen also daz ez grob gestozzen sey vnd pinden in ain clain tùch daz nicht dikch sey vnd laz daz syeden etweuil in ainem kuppfrinn vazz als ain lauetsch oder kezzel ist der do vberczìnt seỳ oder in ainem v̀berglasten hafen oder vazz vnd darnach so treib daz durch ainen sakch vnd behalt daz vleichssicleich in ainem wolverschoppten vazz mit den benanntten dingen in dem dunnen tùch

München, BSB, Cgm. 415, fol. 48v-49r

Wie man mancherlei ‚geclaretten‘ Wein, das ist ein edler und wohlschmeckender Wein, macht. Danach ist es Wein, der Claret genannt wird. Denselben Wein nennen manche auch Pigmentum und andere nennen diesen Wein Nektar. Und guten Claret macht man so: Nimm 12 Pfund Honig und gib den in eine Urna Wein, danach würze ihn mit folgenden Dingen: Nimm gute Zimtrinde, 4 Unzen, Ingwer, 3 Unzen, Galgant, Nelken, Kardamom und Paradieskörner, jeweils eine halbe Unze, Muskatblüten und Muskatnuss, jeweils 2 Dragma und Spica Nardus, das ist wohlriechender Speik, 1 Dragma, schwarzen Pfeffer und langen Pfeffer, jeweils eine Unze. Das alles muss man miteinander zerstoßen, also so, dass es grob zerstoßen ist, und in ein kleines Tuch binden, das nicht zu dick sein soll. Und lass das [die Honigweinmischung] in einem Kupfergefäß sieden, wie in einem Topf oder einem Kessel, der verzinnt ist oder in einem glasierten Häfen oder Fass und danach filtere es durch einen Sack und bewahre es gut in einem wohlverschlossenen Fass mit den erwähnten Dingen in dem dünnen Tuch auf.

Anm.: Als Speik bzw. Spiconardus wurden im Mittelalter verschiedene wohlriechende Pflanzen bezeichnet, u.a. der Echte Speik, aber auch Lavendel. Da echter Speik sehr schwierig zu bekommen ist, verwende ich getrockneten Lavendel aus meinem Garten.

Rezept

für 4 kleine Flaschen Nektar (je 250 ml)

  • 750ml Weißwein
  • 300ml Honig
  • 4 Stangen Zimt
  • 3 EL getrockneter Ingwer (in Scheiben oder Flocken; ersatzweise 1 gestrichener EL Ingwerpulver)
  • ½ EL Galgant
  • ½ EL Nelken im Ganzen
  • ½ EL Kardamom im Ganzen
  • ½ EL Paradieskörner
  • 1 gestrichener Muskatblüten
  • 1 gestrichener TL Muskatnuss
  • 2-3 Blüten Lavendel/Speik
  • 1 EL schwarzer Pfeffer
  • 5 Stück langer Pfeffer

– Alle Gewürze grob im Mörser zerkleinern und in einen Tee- oder dünnen Leinenbeutel füllen.
– Wein mit Honig leicht erwärmen (nicht kochen!), sodass sich der Honig gut auflöst.
– Gewürzbeutel in den Wein hängen und am besten über Nacht ziehen lassen.
– Gewürzbeutel entfernen, Nektar noch einmal erhitzen und heiß in Flaschen füllen.

Nektar kann erwärmt oder kalt getrunken werden und eignet sich auch zum Aromatisieren von Tee, Glühwein, Cocktails, Prosecco und Weinschorlen. In gut verschließbaren Flaschen abgefüllt hält er sich einige Monate. Vor dem Öffnen gut schütteln!


Gewürzbeutel nicht wegwerfen! Er kann mehrmals wiederverwendet werden: Dazu einfach trocknen lassen, im Winter funktioniert das wunderbar auf einem Heizkörper.

Senf mit Honig und Zimtblüten

Diese schnell gemachte süß-scharfe Senfrezept bestricht durch die Kombination von Senfsaat, Honig, Zimtblüten und Wein. In kleine Gläser abgefüllt ist er heute ganzjährig ein ideales Mitbringsel, egal ob zum winterlichen Fondue oder zur sommerlichen Grillfeier. Mit der Zeit verliert der Senf etwas an Schärfe, ist aber ansonsten gut verschlossen mehrere (!) Jahre haltbar. Weitere Senfrezepte und Tipps zur Herstellung findet ihr in diesem Blogbeitrag.

Das hier verwendete Rezept stammt aus einer Berliner Handschrift, die in der Mitte des 15. Jahrhundert aufgezeichnet wurde. Zimtblüten schmecken grundsätzlich ähnlich wie Zimt; allerdings ein wenig feiner und blumiger. Hat man keine Zimtblüten zur Hand, kann man sie problemlos durch die leichter erhältliche Zimtrinde ersetzen. Beim Nachkochen nicht wundern: Anfangs ist der Senf sehr scharf und flüssig, das ändert sich aber nach 1-2 Tagen, dann ist er nachgezogen und verzehrbereit!

Zu einem gutten seniff NIm Seniff Sam vnd Sawber den vnd stozz den In einem Morser gar chlain vnd slach es denn durch ein tuech vnd stozz czymed plueed vnd musch es vnder den Seniff vnd ruer es mit honigsam vast vnder einander recht als der wachs per Vnd wenn du wild So nym desselben ein wenig vnd reib es mit wein so hastu gutten seniff

Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. qu. 1187, fol. 110v

Über einen guten Senf: Nimm Senfsaat und reinige sie und stoße sie in einem Mörser sehr fein und schlag es dann durch ein Tuch und stoße Zimtblüten und mische die unter den Senf und verrühre das mit Honigseim, sodass es wie Wachs wird und wenn du [das nutzen] möchtest, so nimm davon ein wenig und vermische es mit Wein, dann hast du guten Senf.

Rezept

für ein kleines Glas

  • 50g Senfsaat
  • 1 gestrichener TL Zimtblüten, im Mörser zerstoßen
  • 4 EL Honig
  • 80ml trockener Weißwein
  • etwas Salz

– Wein und Honig leicht erwärmen und gut verrühren.
– Senfsaat und Zimtblüten fein mörsern.
– Alles gut miteinander vermischen, etwas Salz hinzufügen.
– Einige Stunden (besser min. 1 Tag) ziehen lassen.

Viel Spaß beim Nachkochen und Freude schenken!

PS: Nicht alle Gewürze im Haus? Macht gar nichts – dann wird eben improvisiert, das wussten schon die mittelalterlichen Köche!

[Nim] es alles yeders als uil als des andern so uil vnd du des gehaben macht oder leg des meer darczu daz dir allerpest geuellt

München, BSB, Cgm. 415, fol. 67

Nimm von allem so viel wie vom anderen, je nachdem, was du da hast, oder gib von jenem mehr dazu, dass du am Liebsten hast!

Text und Fotos: Ylva Schwinghammer, Dezember 2025

Quellen

  • Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 7004, 27
  • München, BSB, Cgm. 415
  • Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. qu. 1187
  • Heidelberg, Universitätsbibl., Cod. Pal. germ. 551
  • Böhm, A., & Klug, H. W. (2021): Cooking Recipe for „Trisenet (h2a.1)“. In H. W. Klug (Ed.), CoReMA – Cooking Recipes of the Middle Ages. Corpus – Analysis – Visualisation. With the help of A. Böhm, J. Eibinger, and C. Steiner. http://hdl.handle.net/11471/562.10.1148 (GAMS. 562.10.1148) (Accessed 2025-07-14)
  • Böhm, A., & Klug, H. W. (2021): Cooking Recipe for „Instant mustard (b4.253)“. In H. W. Klug (Ed.), CoReMA – Cooking Recipes of the Middle Ages. Corpus – Analysis – Visualisation. With the help of A. Böhm, J. Eibinger, and C. Steiner. http://hdl.handle.net/11471/562.10.405 (GAMS. 562.10.405) (Accessed 2025-01-30)
  • Böhm, A., & Klug, H. W. (2021): Cooking Recipe for „Sour cherry electuary (k1.148)“. In H. W. Klug (Ed.), CoReMA – Cooking Recipes of the Middle Ages. Corpus – Analysis – Visualisation. With the help of A. Böhm, J. Eibinger, and C. Steiner. http://hdl.handle.net/11471/562.10.1847 (GAMS. 562.10.1847) (Accessed 2025-11-03)
  • Guggi, Natascha: ain weizz gemùess oder ain weizz chost mach also. Dynamische Edition des Kochbuchs der Handschrift Cgm 415. Mit Glossar und Rezeptregister. Graz, Masterarbeit 2013.

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