
Vegane Ersatzprodukte für die Fastenzeit
Mandel-käse
Ylva Schwinghammer (2025)
Wer denkt, (vegane) Ersatzprodukte wären ein Ding der Neuzeit, der irrt: Bereits im Mittelalter wurden Milch und Käse auf Pflanzenbasis hergestellt! Da in der mittelalterlichen Fastenzeit keine Milchprodukte auf den Tisch kommen durften, bereiteten kreative Köche in dieser Zeit allerhand Ersatzprodukte zu, um ihre Herren bei Laune zu halten. So wurden Mandeln, Nüsse, Mohn und auch Hanf zur Herstellung von Pflanzenmilch genutzt, die nicht nur getrunken, sondern in erster Linie als Kochzutat verwendet wurde, beispielsweise für Suppen oder Muse.
Ein mittelalterliches Rezept für die Herstellung von Mandelmilch, findet ihr hier: Tutorial: Mandelmilch nach mittelalterlichem Originalrezept



Die bei der Herstellung von Mandel-, Nuss- oder Mohnmilch anfallende Masse bildete die Grundlage für Käse-Imitate. Diese wurden mit Wein, Essig, Salz oder Zucker entweder süß oder säuerlich aromatisiert und gepresst bzw. in Formen stehen gelassen. Mit Hilfe von Zusätzen wie Reismehl oder Hausenblase als Geliermittel konnten unterschiedliche Konsistenzen erzielt werden, sodass sich Frischkäse, Weichkäse und schnittfester Käse imitieren ließ. Wer mehr über die Herstellung von Mandelkäse erfahren möchte, dem sei der Beitrag von Christa Schwab empfohlen, die sich vor einigen Jahren an Experimente rund um die Mandel gewagt hat: https://friedrich-und-hildegard.at/2019/07/16/vom-mandeln-melken-und-was-danach-geschah/
Rezepte für Mandelmilch und Mandelkäse finden sich in fast allen umfangreicheren Rezeptsammlungen des Mittelalters – angesichts von bis zu 150 Fastentagen im Jahr kein Wunder, dass diese Ersatzprodukte sich solcher Beliebtheit erfreuten. Zusätzlich wurden Mandelmilch auch allerhand Heilwirkungen und positive Einflüsse auf die Gesundheit nachgesagt, z.B. wurde sie zur Fiebersenkung oder zum diätetischen Ausgleich der schadhaften Wirkung von Erbsen und Bohnen empfohlen.
Mittelalterliche Rezepte für Mandelkäse
Im Folgenden nun einige Beispiele aus mittelalterlichen Handschriften für Rezepte zur Herstellung von Mandelkäse mit und ohne zusätzliches Binde- bzw. Geliermittel. Das Endprodukt nur auf Basis der Mandelmasse wird häufig als „Ziger“ bezeichnet und hatte in etwa die Konsistenz von Topfen bzw. Frischkäse. (Ziger bezeichnet heute noch regional eine Art von Molkenkäse, die in etwa vergleichbare mit Ricotta ist, allerdings einen deutlich geringeren Fettanteil aufweist.)
Wildu machen ein Mandel ziger: Mach milich aus einem halben phunt Mandel vnd solt in dikch durch slachen vnd lazz sy sieden vnd salcz vnd gews ein wenig weins daran oder esseach vnd schutt sy auff ein weyzz tuech vnd peswer sy das sy hertt werd. Darnach sneid sy wie du wild auf die vnd mach ein kalte milich daran mit zuker vnd pestekch sy mit mandel kernn, das schatt nicht. Gib in hin den ziger.
Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. germ. qu. 1187, fol. 77v.
Während das obere Rezept für eine Art Frischkäse mit Salz und etwas Wein oder Essig ohne weitere Zutaten auskommt, wird für die Herstellung eines „Schafkäse-Imitats“ fein gesiebtes Reismehl mit der Mandelmasse aufgekocht, bis diese eindickt:
Ein fasten Schepkese: Require Rieszmele durch ein sehib gereden. Dan nym mandelmilch oben abe vnd halt die vnderst. Setz die vbersten mandelmilch zcuem fueer vnd thue das riesz mele darInne, er dan die milch syde, bewar sie das sie nit vber gehe vnd an burne. Mache dar vsz ein dicks mueszlin. Schued isz dan [4v] in ein fucht schueszlin. Loisz kaltenn. Snyds In stucke als wecklyn vnd legs in eyn anderr schusselnn. So nym dan die dick mandelmilch vor behalten, gisz dar vber, bestick das mit mandeln.
Köln, Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 7004, 27, fol. 4r.
In unserem dritten Beispiel wird aus der Mandelmasse mit Mandelmilch unter Zugabe von Hausenblase ein schnittfester süßer Käse hergestellt:
Wildu haben ein Mandel keas, das muestue haben ein hawsen platter vnd des Mandels muestue haben i1/2 libra auff ain essen. So machstue den keas von dem Mandel: Den reib schon vnd slach durch ein weyzz tuech vnd ein lott hawsen platter, das solt du In einem wasser sieden [77v] vnd die platter solt du mit dem Mandel durch slachen mit gesotten wasser vnd solt der milich nicht sieden. Mach sy suezz mit zukcher mit einem halben virdung vnd schikch zu einem keas. So nym ein verglascz Reaindel, do schutt denn die milich ein, so wirt sy hertt. Vnd lass ein weil sten, so wirts ein keas. Vnd mach ain suess mandel milich daran. Vnd du macht in wol sneiden in viertail, so kumbt die milich do enzwischen vnd bestekch in mit Mandel kernn vnd gib in hin.
Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. germ. qu. 1187, fol. 77r-77v.
Für diese letzte Variante gibt es hier ein Rezept zum Nachmachen:
Rezept
für 2 handtellergroße Käsestücke
- 200g Mandeln
- 500ml Wasser
- 3 EL Zucker
- 2 Blätter Gelatine oder veganes Geliermittel nach Wahl
- eine Prise Salz

– Mandelmilch nach dieser Anleitung zubereiten: Tutorial: Mandelmilch nach mittelalterlichem Originalrezept
– Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Die Mandelmasse mit 4 EL Mandelmilch, Salz und 3 EL Zucker in einem Topf erwärmen. Unter ständigem Rühren die Gelatine darin auflösen.
– Mandelmasse in Förmchen gießen und einige Stunden oder über Nacht kalt stellen. Stürzen, nach Wunsch dekorieren und servieren. (Einige mittelalterliche Rezepte empfehlen, den Käse mit warmer, gesüßter Mandelmilch zu übergießen, die mit Safran gefärbt wurde. Wer keine andere Verwendung dafür hat, kann hierfür die Milch verwenden, die im 1. Schritt gewonnen wurde.)
Tipp: Der süße Mandelkäse hält einige Tage im Kühlschrank.
Quellen
- Böhm, A., & Klug, H. W. (2021): Cooking Recipe for „Sheep’s cheese in lent (k1.25)“. In H. W. Klug (Ed.), CoReMA – Cooking Recipes of the Middle Ages. Corpus – Analysis – Visualisation. With the help of A. Böhm, J. Eibinger, and C. Steiner. http://hdl.handle.net/11471/562.10.1893 (GAMS. 562.10.1893) (Accessed 2025-02-25)
- Guggi, Natascha: ain weizz gemùess oder ain weizz chost mach also. Dynamische Edition des Kochbuchs der Handschrift Cgm 415. Mit Glossar und Rezeptregister. Graz, Masterarbeit 2013.
- Klug, H. W., & Eibinger, J. (2021): Semantic Annotation of B4 – „Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz –, Handschriftenabteilung, Ms. germ. qu. 1187 „. In H. W. Klug (Ed.), CoReMA – Cooking Recipes of the Middle Ages. Corpus – Analysis – Visualisation. With the help of A. Böhm, J. Eibinger, and C. Steiner. http://hdl.handle.net/11471/562.10.20 (GAMS. 562.10.20) (Accessed 2025-01-30)
- München, Bayrische Staatsbibliothekm, Cgm 415
- Tacuinum Sanitatis: Das Buch vom gesunden Leben. Die Gesundheitstabellen des Ibn Butlan in der illustrierten deutschen Übertragung des Michael Herr. Nach der bei Hans Schott erschienen Ausgabe Straßburg 1533. Hrsg. von Hans Zotter. Graz: ADEVA 1988.
- alle Fotos: Ylva Schwinghammer

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