
Mandellmilch vnd ìr beraitung oder chost macht man also
Tutorial: Mandel-milch
Ylva Schwinghammer (2025)
Mandelmilch fand als Zutat für Fisch- und Fleischgerichte, für Suppen, Saucen, süße und pikante Muse, Aspik bzw. Sulzen oder einfach als Getränk Verwendung. Besonders wichtig war sie in der Fastenzeit, wo sie als Ersatzprodukt für tierische Milch diente. Auch in der Medizin war sie von Bedeutung – im unten stehenden Text wird etwa das Trinken von Mandelmilch für Kranke empfohlen, die unter starkem Fieber leiden.
Kein Wunder also, dass sich in fast jeder unserer mittelalterlichen Kochrezeptsammlungen Rezepte für die Herstellung von Mandelmilch finden. Meist beschränken sich die Anleitungen jedoch auf knappe Erläuterungen wie diese hier: „der sol nemen mandel vill wie vil er haben will vnd sol sy stossen vnd durch ein tuechlein seichen“ (Graz, Universitätsbibliothek, Ms. 1609, fol. 36v). Wie vieles andere wurden die Grundkenntnisse zur Verarbeitung von Mandeln zu Milch in mittelalterlichen Handschriften vorausgesetzt.
In der zweiten Kochrezeptsammlung der Münchner Handschrift BSB Cgm 415, die nach ihrem ersten Eintrag auch „Ain weizz gemùess oder ain weizz chost mach also“ genannt wird, findet sich die einzige mir bis dato bekannte wirklich umfangreiche Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Herstellung von Mandelmilch aus dem 15. JH.
Schritt für Schritt: Mandellmilch vnd ìr beraitung oder chost macht man also:
Zum Nachmachen des Rezeptes benötigt man
- 200g Mandeln
- 500ml Wasser (für dünnere Mandelmilch 750ml)
- Wasser zum Einweichen

1.) <Nim mandelchern gancze vnd daz chaine schymplech oder pitter sei vnd tu dì in ain schuezzel vnd gewz darauf ain warm wasser vnd laz daz also darauff, vncz alslang das sich die hautt oder schal von dem chern lòs.>
Nimm ganze Mandeln und achte darauf, dass keine schimmligen oder bitteren dabei sind. Tu sie in eine Schüssel und gieße warmes Wasser darauf und lasse sie einweichen, bis sich die Haut bzw. Schale von dem Kern löst.
Mandeln in einen Topf geben, mit heißem/kochenden Wasser übergießen und min. 30 Minuten einweichen lassen.

2.) vnd darnach so mach dì rain vnd wilt du so tù sì aber in ain warm wasser [Bl. 77v] vnd laz dì darInn vncz daz sì quellen oder wachsen vnd wasch sì dann.
Danach säubere die Mandeln und wenn du willst, gib sie abermals in warmes Wasser und lasse sie darinnen, bis sie aufquellen und größer werden und wasche sie anschließend.
Sobald das Wasser abgekühlt ist, Mandeln einzeln herausfischen und die nun gelöste Schale durch leichten Druck mit den Fingern entfernen.
Mandeln wieder mit Wasser begießen und einige Stunden (am besten über Nacht) stehen lassen.

3.) <darnach so czewch dì von dem wasser wan ez chrenkcht dì mandel vnd verlewst dester mèr chrafft ob man sì lazt czu waich werden vnd dùnn.>
Trenne sie von dem Wasser, weil es die Mandel schwächt und sie umso mehr ihrer Kraft verliert, wenn man sie zu weich und dünn werden lässt.
Mandeln in ein Sieb abgießen und abtropfen lassen.

4.) <Vnd darnach so stoz dì oder reib sie in ainem rainen gevaezz wann Ist daz das gevaezz rain vnd schon ist da man dem chranchen ichts Inn beraitt dester mèr lùst ez den chrankchen vnd darczu schullen wir vns fleizzen.>
Danach zerstoße oder zerreibe sie in einem sauberen Gefäß – wenn das Gefäß sauber und schön ist, in dem man dem Kranken etwas zubereitet, erfreut es den Kranken umso mehr und darum sollen wir uns bemühen!
Mit 250ml Wasser pürieren oder mörsern, bis ein feiner, weißer Brei entsteht.

5.) <Vnd so man dì wol gestozzen hat so tù ain wenig warmes wassers darauf vnd reib daz als lang vncz daz ez wirt als ain milch. Vnd darnach gewz aber ain wenig wassers langsam darauf vnd rùr das oder reib ez wol. Also gewz ain wenig wassers rùr daz garwol alslang vncz daz ez genùg hat.>
Und wenn man sie sorgfältig zerstoßen hat, gibt man etwas warmes Wasser darauf und zerreibt es miteinander, bis es wie Milch wird. Anschließend gießt man wieder langsam ein wenig Wasser darauf und verrührt oder verreibt das gut. So gießt man immer wieder ein wenig Wasser dazu, solange bis es genug hat.
Das restliche Wasser dazugeben und gut vermischen (am besten weiter mit dem Pürierstab oder im Mörser.)


6.) <Darnach so saig daz durch ain schons tùch vnd ring daz vnd treib ez durch vnd dasselb also durchgesaigt wirt milch>
Danach gieße es durch ein reines Tuch ab und wringe das Tuch aus und passiere es und das, was durchpassiert wird, wird die Milch.
Durch ein Tuch oder ein feines Sieb abgießen.


Wenn wir diese 6 Schritte befolgen, erhalten wir wunderbar weiße Mandelmilch, die man trinken oder in anderen mittelalterlichen Gerichten, z.B. in Saucen, Suppen oder Musen, weiterverarbeiten kann.

Die übrig gebliebene Mandelmasse im Tuch sollte man keinesfalls entsorgen: Sie stellt die Basis für Krapfenfüllungen, Mandelkäse, Mandeligel oder falsche Spiegeleier in der Fastenzeit dar!



Unsere Mandelmilch ist fertig, das mittelalterliche Rezept ist an dieser Stelle aber noch nicht zu Ende, daher ist hier der Rest abgedruckt:
<vnd das tu in ain hefen oder in ain ander schonz rains gevaezz vnd setcz ez czum fewr vnd laz daz senffticleich sieden. vnd so ez beginnt zu sieden So nym ain prosm prots czwisschen den hentten wol czerieben vnd vilnach als ain meel gemacht vnd misch daz domit. Vnd wiss daz prot schol sein weder czu hertt noch zu waich Sunder also daz ez wol geriben mag werden vnd reer daz langsam darin vnd rùr daz allweg daz ez icht an[Bl. 78r] prinn oder anhang vnd daz ez auch icht rauchrig werd. vnd salcz das ain wenig. Vnd ob der chrankch lustig ist czu suezzem So schol man ain wenig czukchers darczu tùn oder penidij oder Syrupi. darnach nim ez von dem fewr vnd pewt ez dem chrankchen in ainem schonen rainen gevaezz.>
Und gib das in einen Topf oder in ein anderes schönes sauberes Gefäß und setz es zum Feuer und laß das sanft sieden. Wenn es zu sieden beginnt, so nimmt Brotbrösel, die zwischen den Händen fein zerrieben wurden wie Mehl, und mische es damit. Und wisse, dass das Brot weder zu hart, noch zu weich sein darf, sondern dass es sich gut zerreiben lassen soll. Rühre das Brot langsam ein und rühre es dann ständig, damit es nicht anbrennt oder anklebt und damit es auch nicht rauchig schmeckt. Und salze es ein wenig. Und wenn der Kranke Lust auf Süßes hat, so soll man ein wenig Zucker dazu tun oder Penidzucker* oder Sirup. Danach nimm es vom feuer und serviere es dem Kranken in einem schönen sauberen Gefäß.
*Penidzucker ist ein mit Eiweiß geläuterter und Stärke/Mehl versetzter Zucker, der vor allem im medizinischen Bereich eingesetzt wurde.
<Wilt du daz dì benanntt milch weisser sei darnach den chrankchen etwenn belangt also daz dì materie schon wàr So laz dì obgenanntten mandelchern als lang in kalttem wasser vncz daz man dì mocht awzscheelen aber ez wirt langsamer wann mit warmen wasser. Vnd so man dì awzscheelt vnd gerainigt hat So gewz ain chalt wasser darauf vncz daz sì wol quollen seint. Darnach so gewz daz wasser dauon vnd stòz dì als uor gesprochen ist. Vnd so sì wol gestozzen sint So spreng darauf ain chalt wasser vnd rùr daz als lang als du vorgetan hast mit dem warmen wasser. Vnd darvmb wann ez czugèt mynner chraft der mandel von chaltten wasser wann von warmem damit man daz vor gemacht hat.>
Willst du, dass die oben beschriebene Milch weißer ist, wonach der Kranke mehr begehrt, also danach, dass die Materie schön ist, so lass die oben genannten Mandelkerne, so lande in kaltem Wasser, bis man sie schälen kann, dies dauert aber länger als mit warmen Wasser. Und wenn man sie geschält und gereinigt hat, so gieße kaltes Wasser darauf, bis sie aufquellen. Daranach gieß das Wasser ab und stoße sie, wie zuvor gesagt wurde. Und wenn sie gut zerstoßen sind, so sprenge darauf kaltes Wasser und rühre es, wie du es zuvor mit dem warmen Wasser gemacht hast. Das macht man, weil die Mandel durch kaltes Wasser weniger Kraft verliert, als durch das warme Wasser, mit dem man es zuvor gemacht hat.
<Ain ander chost von demselben: nim ain wolpachen prot vnd besneit daz wol dì rintt v̀beral dauon vnd darnach sneit daz czu chlainen hofleichen snitleinn vnd leg dì in ain schuezzel vnd gewz ain warm wasser darauf vnd dekch ain ander schuezzel darv̀ber. vnd So daz also wol waich wirt So nim ainen mòrser vnd zestoz daz gar wol. Darnach so nym dì chraft [Bl. 78v] oder substancz der mandell dì do pleibt So man dì milch darawz gesaigt Oder ander mandel vnd stozz die mit enander garwol. Vnd so dì gestozzen sint So tu sì in ain lenglechtz geùaez vnd engen zum fewr vnd zu ainem sanften tràgen fewr koch daz Vnd misch daz alleweg also kochend. darnach so tu darczu langsam mandelmilch vnd misch daz alleweg. Vnd tu darczu ain wenig salczs vnd czukchers oder penidij vnd Syrupi. Vnd laz daz kochen. darnach So gib ez zu essen. Vnd dì chost wil man daz ez sein Iunccata.
Aber so nym ain prosem prots vnd czereib dì vnd czugleicherweis als uorgesprochen ist oder getan vnd gewz darauf chalt wasser vnd misch daz vnd laz ez gesitczen. Darnach gewz daz wasser darab vnd tu darauf mandelmilch vnd misch daz vnd gib Im czetrinkchen. Daz ist ain chost vnd ain trankch vnd ist gùt vnd nùtcz den dì daz haizz vnd scharff fieber habnt. Etleich dì tùn in solich chost viòl òl.>
Eine andere Variante dieser Speise: Nim gut gebackenes Brot und schneide die Rinde weg und daranch schneide es zu kleinen feinen Stückchen und lege die in eine Schüssel und gieße warmes Wasser darauf und bedecke das Ganze mit einer anderen Schüssel. Wenn es weich geworden ist, so nimm einen Mörser und zerstoße es sorgfältig. Darnach nimm die Mandelmasse, die übrig bleibt, wenn man die Milch abgeseiht hat oder andere Mandeln und zerstoße das gut miteinander. Und wenn es zerstoßen ist, so stell es in einem länglichen engen Gefäß zum Feuer, zu einem sanften. trägen Feuer, und koch es. Und rühre es ständig, während es kocht. Daranch gib langsam Mandelmilch dazu und rühre das ständig. Und füge ein wenig Salz und Zucker oder Penidzucker oder Sirup dazu. Und lasse das kochen. Darnach gib es zu essen. Und diese Speise soll wie Iuncata (=geronnene Milch) sein.
Nimm Brotkrumen und zerreibe sie auf gleiche Weise, wie vorhin gesagt wurde und gieße kaltes Wasser darauf und vermische es und lasse es einweichen. Daranch gieße das Wasser ab, gib Mandelmilch darauf, vermische es und gib es ihm zu trinken. Das ist eine Speise und ein Trank und ist für jene gut und nützlich, die heißes, scharfes Fieber haben. Etliche fügen zu dieser Speise Veilchenöl hinzu.
München, Bayrische Staatsbibliothek, Cgm 415, fol. 77r-78v
Quellen
- Graz, Universitätsbibliothek, Ms. 1609
- München, Bayrische Staatsbibliothekm, Cgm 415
- Böhm, A., & Klug, H. W. (2021): Cooking Recipe for „Almond milk with sugar (gr1.106)“. In H. W. Klug (Ed.), CoReMA – Cooking Recipes of the Middle Ages. Corpus – Analysis – Visualisation. With the help of A. Böhm, J. Eibinger, and C. Steiner. http://hdl.handle.net/11471/562.10.887 (GAMS. 562.10.887) (Accessed 2025-03-13)
- Guggi, Natascha: ain weizz gemùess oder ain weizz chost mach also. Dynamische Edition des Kochbuchs der Handschrift Cgm 415. Mit Glossar und Rezeptregister. Graz, Masterarbeit 2013.
- Übersetzung: Ylva Schwinghammer (2025)
- Alle Fotos: Ylva Schwinghammer (2025)

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