Rechtzeitig zu unserer Tagung „Gerichte mit Geschichte“, die von 19. bis 21. September an der Universität Graz stattfand, erschien auch die erste Publikation aus dem Projektumfeld:
Ylva Schwinghammer, Wolfgang Holanik, Andrea Hofmeister-Winter, Lisa Glänzer
unter Mitarbeit von Johanna Damberger
Speisen auf Reisen.
Das frühneuhochdeutsche Púch von den chósten und seine Wurzeln im lateinischen Liber de ferculis und im arabischen Minhādj al-bayān.
Edition – Übersetzung – Kommentar
Graz: unipress-Verlag 2019
Reihe (hrsg. von Andrea Hofmeister-Winter): Grazer mediävistische Schriften: Quellen und Studien. Band 2
Im Zentrum dieses Bandes steht die Edition und Übersetzung des frühneuhochdeutschen Púchs von den chósten, einer Kochrezeptsammlung, die in der Münchener Sammelhandschrift Cgm 415 unikal überliefert ist. Was dieses Werk im Bereich der deutschsprachigen Kochrezeptliteratur des späten Mittelalters einzigartig macht, ist die Tatsache, dass es sich dabei um Speisenrezepte aus dem Orient handelt, die mitsamt detaillierten Angaben zu humoralpathologischen Primärqualitäten, medizinisch-diätetischen Indikationen und Ausgleichsmöglichkeiten etwaiger Schadwirkungen durch den Genuss der einzelnen Speisen aus dem umfangreichen arabischen Arzneibuch Minhādj al-bayān fimā yastaʿmiluh al-insān des Bagdader Arztes Abū ʿAlī Jaḥyā ibn ʿĪsā Ibn Djazla aus dem 11. Jahrhundert exzerpiert wurden. Wie die knappe Einleitung der Rezeptsammlung angibt, stellt das Púch von den chósten die Übertragung einer lateinischen Vorlage dar, die auf einen gewissen maister Jambonino von Cremona zu Venedig zurückgeht: Er war es, der im 13. Jh. im oberitalienischen Raum eine Auswahl von Einträgen aus dem arabischen Text Ibn Djazlas ins Lateinische übertrug. Diese Vorlage, der sogenannte Liber de ferculis ist uns zumindest fragmentarisch in einer einzigen Abschrift erhalten, nämlich im Codex Ms. Lat. 9328 der Nationalbibliothek Paris.
Ziel der Publikation ist es, das Púch von den chósten als Wissensquelle über den Kulturtransfer und Adaptierungsprozesse von Kochrezepten an der Schnittstelle von Kulinarik und Diätetik zwischen Orient und Okzident für die Forschung zugänglich zu machen, indem alle drei Textzeugen – das Púch von den chósten, der Liber de ferculis sowie die Rezepte aus dem Minhādj al-bayān – gemeinsam abgedruckt werden. In den beigegebenen Übersetzungen ins Neuhochdeutsche wurde versucht, den jeweiligen Text als eigenständiges historisches Zeugnis zu würdigen. Das bedeutete, inhaltlich wie sprachlich-stilistisch so nahe wie möglich an der Überlieferung zu bleiben und so wenig wie möglich interpretierend einzugreifen, um diese Materialbasis für weitere Forschungen und Analysen möglichst offen zu lassen. Textkritische Anmerkungen und realienkundliche Hinweise zu jedem einzelnen Rezept wollen den Rezipient*innen den Zugang zum Textverständnis erleichtern.
Ergänzt wird die Materialedition durch umfassende Einleitungskapitel zu jeder der drei Überlieferungsstufen (kodikologische und paläographische Beschreibung des unikalen Überlieferungszeugen, Einbettung der Kochrezepttexte in den jeweiligen Sammlungskontext, Beschreibung der jeweiligen Übersetzungsleistung unter besonderer Berücksichtigung der sprachlichen und textpragmatischen Merkmale, Dokumentation der Forschungsgeschichte zur jeweiligen Überlieferungsstufe und schließlich Rechtfertigung der Neuedition und Übertragung ins Deutsche unter Berücksichtigung der dabei auftretenden spezifischen Probleme.
Zahlreiche ergänzende Materialien werden im Anhang beigegeben: de Konings umfangreiche Einleitung zu seiner geplanten, aber zu seinen Lebzeiten nicht mehr zustande gekommenen Gesamtedition des Minhādj al-bayān, weitere Rezepte aus dem Minhādj, die zwar nicht in die europäische Überlieferung eingegangen sind, aber wertvolle Informationen über die Herstellung von verarbeiteten Nahrungsmitteln liefern, die ihrerseits Zutat für die in den Kochrezepten beschriebenen Speisen darstellen, weitere arabische Rezepte in deutscher Übersetzung, die in einer zweiten (überwiegend in der italienischen Tradition wurzelnden) Kochrezeptsammlung im Cgm 415 enthalten sind, und schließlich ein synoptisches Zutatenregister für alle drei Überlieferungen.
Preis: 28,90 Euro
ISBN 978-3-902666-66-6
Erhältlich über den unipress-Verlag:
https://www.unipress-graz.com/buecher/speisen-auf-reisen
verkauf@unipress-graz.com
+43 316 384670
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