Dieses Rezept wurde in einem Schulworkshop mit der HLW Krieglach untersucht und nachgekocht. Es befindet sich im Puch von den chösten in der Münchener Handschrift Cgm 415.
Das Rezept im Originalwortlaut
[M61] Tvfahia Ist peßer wenn ez sawr ist von lemonn oder von margrentepphellsaff oder des gleich vnd von gutem wolgesmakchen gewúrcz vnd ist chalt vnd trúkchen vnd ist gut fúr den pawch fluezz der do colericus ist vnd der warmen leber vnd dem krankchen magen vnd schatt dem huesten vnd zu dem Siling auch schádleich vnd schatt der vnchewsch vnd den adern und den geliddern aber wir ez gemacht mit ainer vaizzten hennenn So schatt ez mynner vnd daz macht man also Nim ain vaiztew hennenn vnd zeleg die in ir gelieder vnd tu daz in ain hefen vnd tú ymmerdar oder státleich saff von eppfeln darczu vnd daz die schal vnd chérn schon dauon gerainigt sey vnd missch daz oder rúr ez v ncz daz ez kocht wirt vnd sein smag wirt als der gesmakch heselmie
(Tufahia ist besser, wenn es sauer ist von Zitronen- oder Granatapfelsaft oder dergleichen und [außerdem] von gutem, wohlschmeckendem Gewürz. Es ist kalt und trocken und ist gut für den Durchfall [Bauchfluss/Verdauung?] eines Cholerikers, der warmen Leber sowie dem kranken Magen. Es schadet dem Husten, ist außerdem für Kolik schädlich und schadet der Unkeuschheit, den Adern und den Gliedern. Wenn es jedoch mit fettem Hühnerfleisch zubereitet wird, dann schadet es weniger. Und das (Gericht) macht man so: Nimm ein fettes Huhn und zerlege dieses in seine Teile und gib das in einen Topf und füge fortlaufend oder kontinuierlich/ständig den Saft von Äpfeln hinzu – und dass die Schale und Kerne bereits von jenen entfernt wurden – vermische das oder rühre es, bis es gargekocht ist. Sein Geschmack wird wie der von Esermia [=Rezept-Nr. M19].)
Zur Erschließung der Rezepts
In anderen arabischen Kochrezepttexten wird das Rezept Tufahia oder Tuffahiyya genannt, was auf das arabische Wort für Äpfel (tuffah) zurückgeführt werden kann.
In den meisten anderen Rezepten wird das Gericht ausführlicher beschrieben: Die Äpfel werden entweder in Stücken zum Gericht gegeben oder in einem Mörser zerkleinert, so dass dann lediglich der Saft verwendet wird. Es werden auch mehrere Zutaten erwähnt, darunter Salz, Pfeffer, Zucker, Zimt, Koriander, Ingwer, Minze, Mandelpaste, Muskat, Kampfer, Rosenwasser oder Mastix.
In unserer Handschrift stand nur, dass das Rezept mit Zitronen- oder Granatapfelsaft und guten Gewürzen besser wird als ohne diese Zutaten. Daneben wird auch festgehalten, dass Teile eines ganzen Huhns verwendet werden sollen, wohingegen in einem Parallelrezept das Fleisch in feine Streifen geschnitten wird, in einem anderen Rezept fehlen genauere Angaben zur Beschaffenheit des Hühnerfleisches. Prinzipiell wird ein fettes Huhn gegenüber einem mageren bevorzugt.
Zur Zubereitungsweise erfährt man, dass das Gericht in einem Topf hergestellt werden soll; die Äpfel sollen vor der Verarbeitung geschält und entkernt werden.
Zu einzelnen Zutaten
Das Huhn war im arabischen Mittelalter sehr beliebt, weil die Haltung nicht aufwendig ist und es zudem Eier liefert. Außerdem gart Hühnerfleisch sehr schnell. Die beliebtesten Hühner stammten aus dem Ort Kaskar. Diese waren besonders fett und hervorragend im Geschmack. Hühnerfleisch wurde auf viele Arten zubereitet: in kleinen Stücken oder im Ganzen und gefüllt, gekocht, gebraten und mit verschiedenen Gemüsen, Soßen und Beilagen.
Granatäpfel werden im Tacuinum sanitatis, den „Schachtafeln der Gesundheit“ näher beschrieben: Der Saft von süßen Granatäpfeln soll führt Galle ab und stärkt den Magen sowie eine ‚warme‘ Leber. Saure Granatäpfel sollen eine zu ‚warme‘ Leber ebenfalls abkühlen können.
Zur gesundheitlichen Wirkung des Rezepts
Im Schema der Primärqualitäten ist unser Gericht ‚kalt‘ und ‚trocken‘. Es ist daher gut für die Verdauung des als ‚heiß‘ und ‚trocken‘ eingestuften Cholerikers, sowie für eine ‚warme‘ Leber oder einen kranken Magen. Es soll auch bei Husten, Koliken und gegen Lust zur Unkeuschheit helfen.
Das Gericht schadet den Adern und den Gliedern, wobei diese Schadwirkung ausgeglichen werden kann, wenn man besonders fettes Hühnerfleisch verwendet.
Diese Zuschreibungen decken sich auch mit anderen Werken der arabischen Medizin, so z.B. mit Ebn Baithar, der Hühnerbrühe für die Verdauung, bei Fieber, Magenleiden, Koliken, Gliederschmerzen und Asthma.
Moderne Interpretation des Rezepts
Zutaten für ca. 4 Personen (mit Brot oder Reis als Beilage)
- 3 Hühnerbrüste, in feine Streifen geschnitten
- 2-3 Zwiebeln fein gewürfelt
- 4 Äpfel, geschält, entkernt und in kleine Stücke geschnitten
- ca. 80g Butter zum Anbraten
- ca. 250ml Brühe zum Ablöschen
- Saft von 2 Zitronen
- etwas Mehl
- 1 EL frischen Ingwer, fein gerieben
- 1 TL Zimt, gemahlen
- 1 EL Zucker oder Honig
- Salz, Pfeffer, Muskat
- etwas frische Minze, fein gehackt
Zubereitung
- Die Hühnerstreifen mit Salz und Pfeffer würzen und mehlieren. In etwas Butter kurz scharf anbraten und zugedeckt bereitstellen.
- In einem Topf die restliche Butter schmelzen und die Zwiebel darin mit Zucker (oder Honig) langsam anschwitzen und karamellisieren. Wenn sie etwas Farbe angenommen haben, mit etwas Mehl stauben und kurz mitrösten.
- Dann die Äpfel hinzugeben und ebenfalls kurz mitdünsten lassen.
- Mit Brühe und Zitronensaft ablöschen und auf kleiner Flamme langsam alles weich dünsten und etwas einkochen lassen.
- Mit Ingwer und Gewürzen abschmecken und kurz vor dem Servieren die angebratenen Hühnerstreifen hinzugeben und vom Herd nehmen.
- Mit frisch gehackter Minze, frisch gemahlenem Pfeffer oder auch gehackten Mandeln garnieren und zu etwas Reis oder frischem Weißbrot servieren.
Autorin: Johann Damberger unter Mitwirkung von Julia Eder, Simone Payer, Laura Pototschnig, Lisa Purger und Kerstin Schulhofer
Kommentar verfassen