Das Gericht mit dem arabischen Namen Kestiasia wurde neben anderen Rezepten aus unserem púch von den chósten, das in der Handschrift Cgm 415 überliefert ist, mit Schülerinnen und Schülern der HLW Krieglach inhaltlich erschlossen und im Anschluss experimentell nachgekocht.
Rezepttext aus dem púch von den chósten mit eingefügter Interpunktion:
KEstiasia ist warm vnd fewcht vnd raiczt den slaff. Vnd daz macht man also: Nim Castronin flaíssch vnd sneit daz ze stukchen vnd tu daz in ain hefen mit ain wenig Sisamini ol oder ander gút ól, mit ain wenig stupp dér puluer cymmerintten vnd coriandri vnd yngber. Vnd wenn daz wol gemischt wir,t so tu darczu ain pfunt vnd ain halbs waßers vnd czukchers oder alsuil hónigs vnd nym iiij vncz magen vnd stózz daz wol vnd misch daz vnd tú ain wenig Saffran darczú.
Im Gegensatz zu vielen anderen Rezepten in unserer Handschrift wird dieses recht simple Gericht so beschrieben, dass seine Zubereitung relativ gut nachvollzogen werden kann. Sowohl die Art der Zubereitung als auch die Zutaten und die Gewürze entsprechen weitgehend den Rezepten aus anderen arabischen mittelalterlichen Kochbüchern, die sich ebenso kaum voneinander unterscheiden. Spezifischer wird in den orientalischen Rezepten der verwendete Mohn beschrieben: Zuerst sollen gemahlene und kurz vor dem Servieren frische Mohnsamen hinzugefügt werden. Der Name des Rezepts, im frühneuhochdeutschen Text mit Kestiasia betitelt, stammt vom arabischen khashkhash: der Mohn.

Die Grundzutat Öl, Sisamini ol oder ander gút ól, wurde in der arabischen Küche sehr häufig verwendet. Das beliebteste pflanzliche Öl war das Olivenöl, das in den Anbaugebieten vergleichsweise günstig, als Importgut jedoch recht teuer war, zudem war dessen Lagerung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Sesamöl, das vom frühneuhochdeutschen Übersetzer empfohlen wird, musste stets frisch verwendet werden, da es bei längerer Lagerung seinen Geschmack verändert. In den arabischen Vergleichsrezepten wird zum Anbraten des Fleisches die Verwendung des Fettes vom Fettschwanz des Schafes beschrieben. Da die Preise für dieses tierische Fett sehr hoch waren, stellte es ein Symbol für Wohlstand dar und wurde meist nur bei festlichen Anlässen verarbeitet. Bevor man das Fett verwenden konnte, musste dieses, wie in den arabischen Kochbüchern angegeben, geschmolzen werden. Um es haltbar zu machen, wurde es häufig in der Sonne getrocknet.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Gerichts ist Zucker, der aus Zuckerrohr gewonnen wird und sich ab dem 10. Jahrhundert einer weiten Verbreitung erfreute. Nach Europa gelangte der Zucker über die iberische Halbinsel, außerdem während der Kreuzzüge. In den arabischen Kochbüchern wird als Süßungsmittel jedoch meist Honig vorgezogen – sowohl im frühneuhochdeutschen als auch in den arabischen Rezepten werden beide Alternativen genannt. Zucker wurde zunächst als Heilmittel geschätzt, da ihm eine stärkende Wirkung zugeschrieben wurde, außerdem wurde er zu Konservierung anderer Gerichte eingesetzt. Im europäischen Mittelalter galt Zucker als Luxusprodukt und wurde zunächst bei wichtigen Anlässen als Tischdekoration verwendet, für den Großteil der Bevölkerung war er bis zur Entdeckung der Zuckerrübe kaum erschwinglich. Für Kestiasia soll der Zucker zunächst in Wasser aufgelöst werden, bevor weitere Zubereitungsschritte erfolgen, ebenso sollen die in Kombination mit Zucker gängigen Zutaten Zimt und Rosenwasser hinzugefügt werden. (Dies wird auch in den arabischen Vergleichsrezepten empfohlen.)
Zu Beginn des Rezepts werden die diätetischen Eigenschaften sowie die Wirkung der Speise (gemäß dem Prinzip der Säftelehre) angeführt: So sei das Gericht ‚warm‘ und ‚feucht‘ und mache darüber hinaus schläfrig bzw. würde Schlaf verursachen. Für diese Schläfrigkeit ist zum einen das Sesamöl verantwortlich, das eine Trägheit des Magens hervorruft. Zum anderen ist für die schläfrige Wirkung des Gerichts vor allem der Mohn verantwortlich; darüber hinaus hat Mohn kühlende Eigenschaften. Dieser wurde für verschiedene Leiden auf unterschiedliche Weise als Heilmittel eingesetzt, am häufigsten fand er jedoch als Schlafmittel Verwendung.
Modernes Rezept
Zutaten (4-6 Portionen):
- 400g Fleisch
- 200g gemahlener Mohn
- 100g Zucker
- 2 TL Salz
- 1 TL Koriander (Samen)
- 1 TL Ingwer
- 1l Wasser
- 20-25 Tropfen Rosenwasser
- 10 Fäden Safran
- 2 EL Olivenöl
Zubereitung:
- Das Fleisch in kleine Stücke schneiden und im heißen Olivenöl für fünf Minuten anbraten.
- Danach mit Wasser aufgießen und kochen lassen.
- Den Mohn und den Zucker hinzugeben und mit Salz, (im Mörser) zerstoßenem Koriander, klein gehacktem Ingwer, Safran und Rosenwasser würzen.
- 40 Minuten köcheln lassen, bis das Fleisch weich und die Konsistenz nicht mehr zu flüssig ist.
- Anrichten und genießen 🙂
Verwendete Literatur
Friedl, Verena (2013): das púch von den chosten. Dynamische Edition des deutschen Jambonius von Cremona nach Cgm 415. Mit einem Glossar und Zutatenregister. Graz: Univ., MA-Arb.
Heine, Peter (1988): Kulinarische Studien. Untersuchungen zur Kochkunst im arabisch-islamischen Mittelalter. Mit Rezepten. Wiesbaden: Harrassowitz.
Heine, Peter (2017): Köstlicher Orient. Eine Geschichte der Esskultur. 2. Aufl. Berlin: Wagenbach.
Nasrallah, Nawall (2007): Annals of the Caliphs‘ Kitchen. Ibn Sayyar al-Warraq’s Tenth-Century Baghdadi Cookbook. English Translation with Introduction and Glossary. Leiden/Boston: Brill. (= Islamic History and Civilization 70).
Zaouali, Lilia (2009): Medieval Cuisine of the Islamic World. A Concise History with 174 Recipes. Translated by M.B. de Bevoise. Foreword by C. Perry. Berkely, Los Angeles, London: Univ. of California Press.
Zotter, Hans (1988): Das Buch vom gesunden Leben. Die Gesundheitstabellen des Ibn Butlan in der illustrierten deutschen Übertragung des Michael Herr. Nach der bei Hans Schott erschienen Ausgabe Straßburg 1533. Graz: ADEVA.
Autorin des Beitrags: Lisa Graßmugg. Unter Mitarbeit von: David Hofbauer, Michael Hurm, Shania Lierzer, Marvin Neuwith, Joana Dos Santos Frades, Lena Sever, Valentina Stark (Schüler*innen der HLW Krieglach)
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