Sicbecz: ein Fleischeintopf

Im Rahmen eines Schulworkshops an der HLW Krieglach konnten wir den Fleischeintopf Sicbecz aus dem Púch von den chósten, das in der Münchener Handschrift Cgm 415 überliefert ist, bearbeiten.

Das Rezept im Originalwortlaut (mit eingefügter Interpunktion)

Sicbecz Ist gemessigter complexio, daz ist begreyffung in der hicz vnd in der fewchtung, und ist gut der warmen leber, die do sangwinea ist vnd rayczt den hunger vnd ist sneller dayung vnd macht den leib dúnn vnd schintt daz Ingewaid vnd so man czukcher darczu tú, so schatt ez nicht.
vnd daz macht man also: Sneit flaissch in chlaine stukch oder czeleg ain hennen in ir tail vnd laz daz sieden vncz daz ez begintt awzzetrukchenn. darnach So koch ain wenig czwiuol vnd núß vnd lauch vnd ring daz awz von dem waßer vnd wasch daz mit chalttem waßer. darnach laz ez kochen mit ain wenig ezzichs vnd wenn daz also sewt, so tu ez in daz hefen, do daz flaissch inn ist, mit ain wenig gueter stupp. darnach so nym ain wenig czukchers vnd hónigs czetriben mit ain wenig saffran und tú daz in daz hefen vnd lazz ez sieden. darnach nym etleich mynczenpletter vnd rawten vnd epech vnd lég daz oben auf die chóst vnd laz daz als lang do vnd die chost etweuil gesmackchs [Bl. 13v] von dem enpfecht vnd hast du von cyttern etleich stukch. du macht ez machen an die benanntten chrawt vnd wilt du ez dikch haben, So tu darczu von hundert mandeln gestozzen vnd mit rosenwaßer zetriben. vnd wilt du ez suezzer haben, so tu ain wenig czukcher darczu. vnd wilt du Im gestalt geben, so tú ain wenig saffran darczu.

Der Name des Gerichts leitet sich vom arabischen Wort sikbajat (Essig) ab. Das Rezept Sicbecz (in anderen Kochrezeptsammlungen auch „Sikbaj“ geschrieben) wird im Rezept in unserer Handschrift mit verschiedenen Fleischsorten (Rind und/oder Huhn) sowie Zwiebeln, Nüssen, Lauch, Essig, Wasser, Zucker, Honig und Safran, Minzblättern, Zitrone, Sellerie und in Rosenwasser getränkten Mandeln zubereitet. Das Fleisch soll zunächst alleine in einem Topf gekocht werden. Danach werden Zwiebel, Nüsse und Lauch hinzugefügt. Der Geschmack soll durch Essig, Zucker, Honig und Safran beeinflusst werden. Minze, Sellerie und Zitrone werden erst gegen Ende der Kochzeit hinzugefügt. Wenn man die Speise dicker haben will, empfiehlt das Rezept 100 mit Rosenwasser vermengte Mandeln (zerstoßen) hinzuzufügen.

Unser Gericht in anderen Kochrezpttextsammlungen

Bevor wir uns an das experimentelle Nachkochen des Gerichts wagten, haben wir unser Rezept in anderen Kochrezepttextsammlungen gesucht und Informationen zusammengetragen: In Erweiterung zu unserem Rezept wird in anderen Rezepttexten erwähnt, dass die Brühe durch ein Tuch geschlagen werden soll, um Gewürzrückstände vor dem Essen zu entfernen. Außerdem werden weitere potentielle Zutaten für diesen Eintopf genannt, nämlich Brunnenkresse, Petersilie und schwarzer Pfeffer.

In der Forschung wird vermutet, dass das Gericht Sicbecz (Sikbaj) auf zwei unterschiedlichen Wegen aus dem arabischen Raum nach Europa kam: einmal über das ‚einfache Volk‘ in Spanien, wo Moslems und Christen friedlich nebeneinander wohnten, ein zweites Mal durch Übersetzungen arabischer Kochrezepttexte ins Lateinische. Eine solche lateinische Übersetzung war auch die Grundlage für unser frühneuhochdeutsches Rezept in der Handschrift Cgm 415. Die italienische Forscherin Anna Martellotti vermutet, dass unser Wort „Aspik“, das auf Lateinisch assicipicium zurückgeht, ursprünglich vom arabischen al-sikbaj abstammt. Wenn man Sicbecz (Sikbaj) aus Lamm zubereitet, abkühlen lässt und dann die Schüssel stürzt, so kann man es nämlich tatsächlich in Form eines Aspiks verzehren, weswegen diese Herleitung des Wortes möglich scheint.

Die Speise Sicbecz (Sikbaj) war so bekannt, dass sie einen eigenen Eintrag in den „Schachtafeln der Gesundheit“, dem Tacuinum sanitatis des Ibn Butlan erhielt. In diesem Werk werden verschiedene Nahrungsmittel, Zubereitungsmethoden oder Lebensgewohnheiten auf ihre Eignung für die verschiedenen Charaktertypen (Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker) hin analysiert. Unser Sicbecz (Sikbaj) ist von gemäßigter Hitze und wird für junge Leute, im Sommer und in heißen Gegenden, sowie für Menschen mit ‚heißer‘ Komplexion besonders empfohlen. Der Essig als eine Hauptzutat unseres Gerichts gilt im Rahmen der Säftelehre als ‚kalt‘ und ‚trocken‘ uns gilt damit ebenfalls für junge Leute, im Sommer und in heißen Gegenden als besonders gesund.

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Sicbecz – Experimentelle Umsetzung an der HLW Krieglach

Experimentelle Umsetzung unseres Gerichts
Zutaten (für ca. 6-8 Portionen)

  • 500g Rindfleisch zum Kochen
  • 1-2 Bünde Lauch
  • 2 Zwiebel
  • einige Karotten
  • Essig
  • Salz
  • Pfeffer
  • Koriander
  • Petersilie
  • Minze

Zubereitung

  1. Karotten schälen und in kleine Würfel schneiden
  2. Zwiebel, Lauch und Minze klein schneiden
  3. Einen Topf aufstellen und Wasser erhitzen
  4. Die Sehnen vom Fleisch entfernen und das Fleisch in kleine Würfel schneiden
  5. Das Fleisch alleine im Topf kochen
  6. Nach ca. 15 Minuten den Schaum des Fleisches aus dem Topf abschöpfen
  7. Das geschnittene Gemüse in den Topf geben und mit viel (!) Essig würzen
  8. Eine Prise Koriander, Petersilie, Salz und Pfeffer hinzufügen
  9. Im Laufe der Kochzeit ein bisschen Wasser hinzufügen, um die Verdunstung auszugleichen
  10. Nach ca. 1 Stunde Kochzeit ist das Gericht servierfertig!
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Sicbecz – Experimentelle Umsetzung an der HLW Krieglach

Einige Zutaten aus unserem Rezept unter der Lupe

Safran galt als das teuerste Gewürz der Welt, weil man ca. 150.000 Safranblüten benötigt, um ein Kilogramm des Gewürzes herzustellen. Das gestoßene Safrangewürz macht eine gelbliche Farbe.

Minze gab und gibt es in vielen Arten. In der Küche wird sie meist frisch verwendet. In den meisten Rezepten wird sie einfach in den Topf gegeben und (kurz) mitgegart, wobei sie dann als Geschmacksbringer fungiert. Heute wird der Minze eine kühlende Wirkung nachgesagt, im mittelalterlichen Schema der Humoralpathologie galt sie aber als ‚heiß‘ und ‚trocken‘. Verwendet wurde sowohl im Garten angepflanzte, als auch gesammelte Wildminze.

Zwiebeln bildeten die Grundlage für viele Gerichte. Sie wurden geschnitten, mit dem Mörser klein gestampft oder im Ganzen verwendet. Man konnte sie geschält oder in der Schale kochen. Das Zwiebellaub wurde – anders als heute – ebenfalls verwendet. Der Religionsgründer Mohammed hat bestimmt, dass man nach dem Verzehr von Zwiebel oder Knoblauch nicht in die Nähe einer Moschee gehen sollte, weil die Engel durch den Geruch genauso gestört würden wie die Mitmenschen auf der Erde.


Verwendete Literatur

Friedl, Verena (2013): das púch von den chosten. Dynamische Edition des deutschen Jambonius von Cremona nach Cgm 415. Mit einem Glossar und Zutatenregister. Graz: Univ., MA-Arb.

Heine, Peter (1988): Kulinarische Studien. Untersuchungen zur Kochkunst im arabisch-islamischen Mittelalter. Mit Rezepten. Wiesbaden: Harrassowitz.

Heine, Peter (2017): Köstlicher Orient. Eine Geschichte der Esskultur. 2. Aufl. Berlin: Wagenbach.

Nasrallah, Nawall (2007): Annals of the Caliphs‘ Kitchen. Ibn Sayyar al-Warraq’s Tenth-Century Baghdadi Cookbook. English Translation with Introduction and Glossary. Leiden/Boston: Brill. (= Islamic History and Civilization 70).

Zaouali, Lilia (2009): Medieval Cuisine of the Islamic World. A Concise History with 174 Recipes. Translated by M.B. de Bevoise. Foreword by C. Perry. Berkely, Los Angeles, London: Univ. of California Press.

Zotter, Hans (1988): Das Buch vom gesunden Leben. Die Gesundheitstabellen des Ibn Butlan in der illustrierten deutschen Übertragung des Michael Herr. Nach der bei Hans Schott erschienen Ausgabe Straßburg 1533. Graz: ADEVA.

Autor des Beitrags: Wolfgang Holanik. Unter Mitwirkung von Hannah Kargl, Annika Lurger, Lilli Mosbacher, Sophie Pusterhofer, Katharina Weissenbacher und Sarah Zettelbauer.

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