Mandeln zählen zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt und haben sich als fester Bestandteil bereits vor vielen Jahrhunderten in der europäischen Küche etabliert. So überrascht es nicht, dass uns zahlreiche Mandelrezepte aus dem Mittelalter überliefert sind.
Im Folgenden soll ein Rezept für Mandelkonfekt, vermutlich eine Art orientalisches Marzipan, vorgestellt werden, das in der Münchner Handschrift Cgm 415 aus dem 15. Jahrhundert, genauer gesagt im sogenannten púch von den chósten auf den ersten 20 Blättern der Handschrift, zu finden ist. Das Rezept wurde in einer Workshop-Reihe im Oktober 2017 mit Schülerinnen der 3. Klasse der HLW Schrödingerstraße in Graz übersetzt, inhaltlich erschlossen und im Anschluss experimentell nachgekocht.
Zunächst der frühneuhochdeutsche Rezepttext:
MAndel gemacht sint warm ∙ gemengt und werd(e)n also Nim gerainigitter geribnér mandel ain pfunt czúkch(er) drew pfunt vn(d) sewt den zukch(er) mit dreyen vncz waßers Róswassers vn(d) wenn ez schier gesoten ist So schol man die mandel darin werffen vn(d) durch enand(er) misschen Darnach so nim tabarczet daz ist den allerweizzest(e)n czukch(er) ain halbes pfunt mit ain wenig chamfor vnd reib ez vnd tú ez darczu vn(d) missch ez vn(d) etleich tuen darczu etweuil waiczeins méels Sí machen den menschen vaizzt vn(d) [Bl. 02r] sint gút fúr die dúrr hústen vnd den die do plút rechsent vnd waichen den pawch
Ganz im Sinne der mittelalterlichen Diätetik werden zu Beginn (und hier auch am Ende) des Rezepts die Qualitäten und gesundheitlichen Wirkungen der Speise angeführt. Diese Zuschreibungen beziehen sich auf die mittelalterliche Vorstellung von den vier Elementarqualitäten (Wärme, Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit) im Körper und auf die Überzeugung, diese durch eine auf die individuelle Qualitätenmischung des Körpers (Komplexion) abgestimmte Ernährung stärken zu können – Gesundheitsvorsorge durch Ernährung sozusagen! Unserem orientalischen Mandelkonfekt wird dabei die Eigenschaft „warm“ zugewiesen. Es ist also gut geeignet, um Kälte auszugleichen, zum Beispiel im Winter. Am Schluss des Rezepts wird noch einmal auf die Wirkung der Speise Bezug genommen: Mandeln und Zucker – die Hauptzutaten des Gerichts – sind sehr nahrhafte Lebensmittel, ihnen wird somit zugeschrieben, den Menschen satt zu machen (sie machen den menschen vaizzt). Des Weiteren soll der Genuss dieses Gerichts Reizhusten und Bauchkrämpfe lindern (sint gút fúr die dúrr hústen vnd den die do plút rechsent vnd waichen den pawch).
Zutaten:
- 200g geriebene Mandeln
- 170g Staubzucker
- 50 ml Rosenwasser
- 1 Messerspitze Kampfer – je nach gewünschter Intensität
- 2 Esslöffel Weizenmehl
Zubereitung:
- Rosenwasser auf niedriger Stufe erwärmen
- Zucker unter leichtem Rühren einrieseln lassen
- Nun die geriebenen Mandeln unter oftmaligem Rühren hinzugeben.
- Sobald Mandeln und Zuckerwasser miteinander vermengt sind, kann der Kampfer hinzugegeben werden.
Kleiner Tipp: Aufgrund seiner Intensität sollte man mit der Zugabe von Kampfer besonders vorsichtig sein! (Ansonsten schmeckt das Ergebnis eher nach Eukalyptuskonfekt, das nur noch entfernt an Mandeln erinnert ;-))
- Die ganze Masse nun am besten mit den Händen verkneten, um die Zutaten besser miteinander zu vermischen.
- Gegen Ende des Rezeptes findet sich der Tipp, der Speise ein wenig Weizenmehl hinzuzufügen (etleich tuen darczu etweuil waiczeins méels). Auch diesem Hinweis sind wir gefolgt und haben dem Gericht ein wenig Mehl beigemengt. Auf diese Weise ließ sich die Masse gut formen.
- Nun kann das Mandelkonfekt in die gewünschte Form gebracht werden – wir entschieden uns dazu, aus der Mandelmasse mundgerechte Dessertbällchen zu machen.

Der dem Rezept beigefügte Kampfer macht das Mandelkonfekt zu einem wahren Geschmackserlebnis! Vielen Schülerinnen und Schülern war der Geruch des aus dem Kampferbaum extrahierten Öls lediglich von der ‚Wick-Hustensalbe‘ vertraut. Welch eine Überraschung für den Gaumen, der Süße ein wenig Eukalyptus-Aroma zu verleihen… (Wer nun Lust bekommen hat, der findet Kampfer am besten im gut sortieren Reformhaus.)
Was die Mengenangaben (und Mengenverhältnisse) betrifft, haben wir etwas in die Angaben des Originalrezepts eingegriffen: Beispielsweise haben wir die Menge des Zuckers stark reduziert und die restlichen Zutaten dann in ein für heutige Gewohnheiten sinnvoll erscheinendes Verhältnis zueinander gebracht. Durch diese Variation erhielten wir ein von der Konsistenz her gut zu verarbeitendes orientalisches Marzipan, das allen Köchinnen und Köchen der HLW Schrödinger gut geschmeckt hat!
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